Zehnfacher Tod im Bombenhagel

Vor knapp 80 Jahren: Für die Menschen im niederländischen Grenzort Bellingwolde war der 25. Juni 1943 ein Tag des Grauens


Das Wohnhaus und Bekleidungsgeschäft der Familie ter Harkel am Hoofdweg in Bellingwolde wurde nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet. Im Frühjahr 1947 konnte die Wiedereröffnung gefeiert werden.  © Foto: Sammlung Chris Timmer
Das Wohnhaus und Bekleidungsgeschäft der Familie ter Harkel am Hoofdweg in Bellingwolde wurde nach dem Zweiten Weltkrieg neu errichtet. Im Frühjahr 1947 konnte die Wiedereröffnung gefeiert werden. © Foto: Sammlung Chris Timmer

Wäre sie an jenem Tag im Sommer 1943 wie gewohnt zur Schule gegangen, würde Tjabina Koens womöglich noch leben. Doch am 25. Juni blieb sie krank zuhause. Es sollte ihr letzter Tag sein. Tjabina starb im Alter von nur sechs Jahren. Eine Fliegerbombe traf ihr Elternhaus, sie wurde von einer einstürzenden Mauer erschlagen. Das Mädchen gehört zu zehn Zivilisten aus Bellingwolde, die ums Leben kamen, weil US-Piloten an diesem Freitag gegen 9 Uhr vormittags fast 1500 Granaten über dem niederländischen Nachbarort von Wymeer abwarfen - mutmaßlich in der falschen Annahme, sich noch über deutschem Gebiet zu befinden. Dass ihr tragisches Schicksal nicht in Vergessenheit gerät, ist Chris Timmer aus Holthuserheide zu verdanken. Der 65-jährige Niederländer, der früher südlich von Bellingwolde in Veelerveen wohnte, befasst sich als Heimatforscher vor allem mit dem Zweiten Weltkrieg. Er hat das furchtbare Geschehen dieses Tages akribisch recherchiert. Aufmerksam darauf wurde er 1990 durch ein Gespräch mit drei inzwischen verstorbenen Zeitzeugen. Sie erzählten ihm vom tödlichen Bombenhagel, der nur etwa fünf Minuten dauerte und unter Historikern nur wenig Beachtung fand. In niederländischen Geschichtsbüchern ist kaum etwas vermerkt, auf deutscher Seite blieben die grauenvollen Ereignisse nahezu unbeachtet. Dabei dokumentieren Fotografien, die der Mann der Zeitzeugin Fennie Steenhuis machte, die verheerenden Zerstörungen. »175 Häuser wurden beschädigt«, so Timmer. Etwa zehn Gebäude hätten komplett in Trümmern gelegen.