Am Kriegerdenkmal wehte die rote Fahne
»November-Revolution« vor 100 Jahren: Auch im Rheiderland bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte
Es war eine Zeitenwende in der deutschen Geschichte: In der Endphase des Ersten Weltkriegs kam es zum Sturz der Monarchie. Am 9. November 1918 dankte Kaiser Wilhelm II. ab, die Republik wurde ausgerufen. Auch im Rheiderland rissen Revolutionäre die Macht an sich. Doch es entstand keine Epoche, es blieb bei einer Episode. »Die Thronentsagung des Kaisers und des Kronprinzen« hieß es am 12. November 1918 auf der Titelseite der »Rheiderland Zeitung«. In den Lokalnachrichten im Innenteil wurde - offenbar aus Furcht vor dem Ausbruch eines Bürgerkriegs - mit Bedacht berichtet: »Der so plötzliche Umschwung der Verhältnisse ist wie in allen anderen Orten so auch hier mit Ruhe und Besonnenheit aufgenommen worden. Nirgends ist es zur irgendwelchen Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gekommen. Sollten in diesen Tagen irgendwelche rein örtlichen Ereignisse eintreten, so diene zur Beruhigung, dass sie lediglich soldatisch-militärischer Art sind und die Bürgerschaft durch sie nicht betroffen wird.« Das sollte sich schon am Tag darauf ändern, die revolutionären Umwälzungen erfassten auch das Rheiderland. Die durch aufbegehrende Matrosen der kaiserlichen Marine in Kiel und in Wilhelmshaven ausgelöste »November-Revolution« verlief hier allerdings vergleichsweise unspektakulär, wie eine Recherche in den damaligen RZ-Ausgaben ergab. Bei blutigen Niederschlagungen der Revolution starben in deutschen Städten bis zu 5000 Menschen, so metzelten rechte Freikorps in Berlin die revolutionären Räte nieder. Von bewaffneten Nationalisten, von Verletzten oder gar Toten war im Rheiderland indes keine Rede. Nachdem sich in vielen norddeutschen Städten Arbeiter- und Soldatenräte bildeten, fand auch in Weener eine »Volksversammlung« statt. Die Aufständischen versammelten sich am Nachmittag des 13. November 1918 auf dem Denkmalsplatz, also wohl am 1874 errichteten Kriegerdenkmal »Germania« beim heutigen Rathaus. Es war möglicherweise der Kohlenhändler Karl Ambrasath vom Arbeiter- und Soldatenrat Leer, der sich einige Tage zuvor gebildet hatte, der bei der Ausrichtung der öffentlichen Kundgebung in Weener half. Ambrasath sprach dort ebenso wie Engelbert Smit (Weenermoor) und J. M. Willms (Weener). »Die neue politische Bewegung hat auch in unserem Orte ihren Einzug gehalten«, berichtete die RZ. Die drei Redner hätten die weltgeschichtlichen Entwicklungen beleuchtet, den Zuhörern die Ziele der neuen Bewegung erläutert und vor allem dazu aufgefordert, Ruhe und Ordnung zu bewahren. »Unter Hochrufen auf die Republik Deutschland wurde am Denkmal die rote Fahne gehisst«, hieß es. Die Teilnehmer der Versammlung seien anschließend hinter der Regimentskapelle aus Leer durch Weeners Hauptstraßen gezogen. Der Umzug habe sich in der Turnhalle aufgelöst, wo dann ein Arbeiter- und Soldatenrat gewählt worden sei.